Zuerst zur Begriffsbestimmung:
Die Kastration:
Bei einer Kastration werden die Keimdrüsen operativ entfernt, beim männlichen Tier die Hoden, beim weiblichen die Eierstöcke. Durch diesen Eingriff wird die Produktion von Geschlechtshormonen
verhindert und damit das Sexualverhalten komplett unterbunden.
Die Sterilisation:
Im Gegensatz zur Kastration werden bei der Sterilisation die Keimdrüsen belassen und nur die Keimwege unterbunden, beim männlichen Tier die Samenleiter, beim weiblichen die Eileiter. Die
Produktion von Geschlechtshormonen und damit das Sexualverhalten bleibt in vollem Umfang erhalten. In der Tiermedizin wird ausschließlich die Kastration durchgeführt, da besonders bei Hündinnen
und Kätzinnen nach Sterilisation Spätfolgen auftreten können, die eine erneute Operation erforderlich machen. Außerdem geht es bei diesem Eingriff ja gerade um das Ausschalten des
Fortpflanzungsverhaltens.
Gesetzliche Grundlagen und Einschränkungen |
Welche Gründe gibt es für eine Kastration?
Beim Rüden:
unerwünschtes oder übersteigertes Sexualverhalten sexualhormonbedingte Aggressivität, Prostataerkrankungen, Hodentumoren
( bei allen anders bedingten Formen von Aggressivität kann eine Kastration keinen Erfolg bringen!)
Bei der Hündin: Verhinderung von Läufigkeit und Trächtigkeit
hochgradige Scheinträchtigkeig
Zyklusstörungen mit Hautveränderungen
Bei zyklusabhängigen Gesäugetumoren
Ab welchem Alter kann ein Hund kastriert werden?
Auf diese Frage gibt es eine Vielzahl von Antworten, die alle in irgendeiner Form eine Berechtigung haben, so dass der richtige Termin im Einzelfall ermittelt werden muss:
Geschlechtshormone werden im Wachstum und bei der Ausreifung von Körper und Psyche benötigt. Daher erscheint es sinnvoll, diese Hormone zu belassen, bis die Tiere ausgereift, d. h. erwachsen
sind.
Die soziale Reife erreichen die Tiere mit etwa 1,5 Jahren. Der Besitzer merkt dies daran, dass die Hunde beginnen, ihre Stellung in der Rangordnung in Frage zu stellen oder dass sie anfangen,
ihre Aufgaben als Wachhund zu erfüllen.
Die körperliche Ausreifung ist noch später abgeschlossen: Bei Hunden kleiner Rassen geht man von einem Alter von etwa 2 Jahren aus, bei großen von 3 Jahren und mehr.
Eine Kastration einer Hündin vor der 1. Läufigkeit senkt die Häufigkeit des Auftretens von Gesäugetumoren im Alter. Das stimmt, aber wenn man weiss, dass das tatsächliche
Risiko einer solchen Tumorentwicklung bei etwa 2 % der Hündinnen liegt und diese Tumoren überwiegend im fortgeschrittenen Lebensalter auftreten, dann relativiert sich diese
Aussage. Außerdem ist nach neuesten Forschungsergebnissen das Körpergewicht der Tiere im ersten Lebensjahr von weit größerer Bedeutung: |
Eine kastrierte Hündin lockt keine Rüden mehr an und blutet nicht mehr, ein kastrierter Rüde läuft nicht mehr weg oder heult die ganze Nachbarschaft zusammen.
Dieser Grund sollte hinter gesundheitlichen Aspekten zurückstehen und ist eigentlich nur von Bedeutung, wenn mehrere Hunde unterschiedlichen Geschlechts in einem Haushalt leben.
Wie wird die Kastration beim Hund durchgeführt?
Bei beiden Geschlechtern erfolgt eine Operation unter Vollnarkose und unter sterilen Bedingungen. Beim Rüden wird vor dem Hodensack die Haut eröffnet und beide Hoden durch diesen Schnitt
entfernt. Wichtig ist Leinenzwang bis zur Entfernung der Fäden, da sich das OP-Gebiet zwischen den Hinterschenkeln befindet und damit bei jedem Schritt belastet wird. Eine gewisse Schwellung in
diesem Bereich ist normal, durch zu viel Bewegung kann es aber zu erheblichen Schwellungen und Schmerzen kommen.
Bei der Hündin werden durch einen Bauchschnitt beide Eierstöcke entfernt. Auch hier ist bis zum Ziehen der Wundfäden eine Schonung des Tieres erforderlich.
Welche Nebenwirkungen oder Spätfolgen können auftreten?
Da es sich bei Kastration oder Sterilisation um eine Operation unter Vollnarkose handelt, muss man in jedem Fall mit
Narkosezwischenfällen rechnen. Durch moderne Narkosen und gute Überwachung während des Eingriffs kann man diese Gefahr zwar mindern, aber niemals ganz ausschließen. Wie bei jeder anderen
Operation ist auch bei einer Kastration die Möglichkeit von Nachblutungen gegeben, diese kommen aber nur sehr selten vor.
Beim Rüden ist eine mittelgradige Wundschwellung normal, aber solange kein Fieber auftritt und der Hund sich normal bewegt, ist keine weitere Behandlung erforderlich.
Als Spätfolgen können auftreten:
Beim Rüden:
Gewichtszunahme durch ruhigeres Verhalten: Dies ist in den Griff zu bekommen durch eine geringere Fütterung und mehr Bewegung
Trägheit: Hier hilft nur Animieren zu mehr Bewegung und Spiel. Wenn kein Erfolg zu verzeichnen ist, sollte die Funktion der Schilddrüse überprüft werden.
Bei der Hündin :
Gewichtszunahme und Trägheit: siehe Erläuterungen beim Rüden
Gesteigerte Aggressivität und Ängstlishkeit:
Es kann sehr selten vorkommen, etwa bei einer von 1000 Hündinnen, dass nach der Kastration eine erhöhte Agressivität auffällt. Dies kommt vor bei Hündinnen, die schon vor der Kastration zu
agressivem Verhalten neigen. Bei diesen Tieren sollte man vorher überlegen, ob eine Kastration anzuraten ist.
Bei frühkastrierten Hündinnen muss man außerdem mit einer Steigerung des Angstverhaltens rechnen. Diese kann sich in gesteigerter Trennungsangst oder verstärktm Fluchtverhalten äußern.
Harninkontinenz:
Durch den Östrogenmangel kommt es bei etwa einem Drittel der Hündinnen in späteren Lebensjahren zu einer Inkontinenz. Es scheint so, dass die Inkontinenz nach Kastration vor der Pubertät seltener
auftritt als nach Kastration nach der Pubertät. Allerdings tritt sie nach Frühkastration sehr viel heftiger auf als nach später erfolgtem Eingriff und ist auch schwerer zu behandeln. Die
Behandlung erfolgt in der Regel medikamentös. Im Jahr 2002 wurde von einer Kollegin aus Bielefeld eine Studie durchgeführt, die sich mit gesundheitlichen und verhaltensbedingten Folgen der
Kastration beim Hund beschäftigt. Die Ergebnisse dieser Studie liegen jetzt vor. Im Rahmen der Studie wurden die Eigentümer von etwa 1000 Hunden jeden Alters, vieler Rassen und beiderlei
Geschlechts mittels eines Fragebogens nach körperlichen und psychischen Folgen der vorausgegangenen Kastration ihres Tieres befragt. Durch diese Art der Befragung sind die Ergebnisse sicherlich
nicht objektiv und stellen daher auch nicht die alleinseligmachende Wahrheit dar, aber sie zeigen doch Trends und Wahrscheinlichkeiten auf.
Die Ergebnisse im Einzelnen:
Veränderungen bei Hündinnen:
Veränderungen bei Rüden:
Zumindest bei Rüden scheinen die Veränderungen im Aggressionsverhalten eine deutliche Altersabhängigkeit zu besitzen: Tiere, die sehr früh kastriert wurden, im Alter von unter 6 Monaten, aber
auch Tiere, die bei der Kastration zwischen 6 und 12 Monaten alt waren, zeigen mit größerer Wahrscheinlichkeit erhöhtes Aggressionsverhalten gegenüber anderen Hunden beiderlei Geschlechts oder
fallen durch verminderte Ausgeglichenheit auf. Daraus lässt sich folgern, dass man Rüden möglichst nicht vor der Vollendung des ersten Lebensjahres kastrieren sollte. 3 % der Hunde beiderlei
Geschlechts zeigen nach der Kastration eine verlängerte Wachstumsperiode, allerdings 35 % der Tiere, die zum Zeitpunkt der Kastration unter 6 Monate alt waren. Daher erscheint es nicht sinnvoll,
bei Hunden zur Frühkastration zu raten.
Und noch einmal mit besonderer Betonung: Auch in dieser Studie zeigt sich wieder, dass nur sexuell bedingte Aggressivität durch eine Kastration beeinflusst werden kann, nicht aber Aggressivität,
die durch Beutefang-, Revier- oder Dominanzverhalten ausgelöst wird.
Quelle:
Dr. med. vet. Micaela Peters
prakt. Tierärztin
Kapitän-Alexander-Str. 17
27472 Cuxhaven
Weitere Gedanken zum Thema findet ihr im Blog von Tierarzt Dr. Rückert
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